
Zeit.Geist. Leinwand/Öl 50×70
„Der Zeitgeist unserer Zeit ist das Paradoxon unseres Geistes, unseres Denkens.“ (Netzfund zur Frage: „Was ist der Zeitgeist unserer Zeit“ )
Heißt das, unser Denken akzeptiert Dinge, die unser Geist ablehnt und verhält sich opportun zur Wahrheit? Neuerdings steht ein seltsamer Mensch vor der Tür und verhält sich dort seit Tagen für einige Stunden still, bevor er sich lautlos umdreht und weg geht. Am nächsten Tag steht er wieder da. Und das schon seit Wochen. Der tägliche Anblick dieses Menschen ist zermürbend. Und manchmal denke ich, hat sich sein Gesicht verändert, ist in die Augen, die so teilnahmslos wirken, etwas sonderbares eingezogen; hängen die Mundwinkel mürrisch herab; trägt er eine Zornesfalte? Nach etwa einem Monat bemerke ich eine neue Jacke; sie scheint an einer Seite ausgebeult zu sein. Der Zeitgeist flüstert: „Es ist ein Mensch, der dir nahestehen sollte; wer weiß, wieviel Leid er erfahren musste und nur du kannst ihm helfen.“ Ich bin beschämt, denke aber, dass ich mich bedroht fühle angesichts der täglichen stummen Aufwartung. Und wie ist das mit dem „Nahestehen“ gemeint, hier rebelliert mein Geist, mein Denken schweigt. „Lade ihn doch ein in dein gemütliches Zuhause“, insistiert der Zeitgeist, “ vertreibt euch gemeinsam die Zeit. „- „Nein“, sagt mir mein Geist, „Ich will das nicht! Was soll ich mit so einem unheimlichen Gast?“ Monatelang erscheint der Fremde, der mir immer fremder wird. Inzwischen wird er auf der Straße oder direkt vor meinem Haus freundlich, fast vertraulich von den Nachbarn gegrüßt – und ich ernte missbilligende Blicke. Der Zeitgeist, denke ich, schlägt deutlich gegen mich aus. Das scheint dem Ungebetenen Kraft zu verleihen. Neuerdings trägt er gut sichtbar Waffen: ein Springmesser zum Schälen geschenkter Äpfel, eine Schreckschusspistole, wahrscheinlich, um … – sollte ich auf den Gedanken kommen, ihn gewaltsam zu vertreiben. Der Zeitgeist rät: lege täglich einen Apfel vor die Tür.
